Camino de Santiago

Mein Jakobsweg mit dem Fahrrad



Von Saint Benoit sur Loire nach Beaugency

Peter Thomas

aus Siegburg



12. Tag
Samstag 29.06.2002


Hochfest der Apostelfürsten Petrus und Paulus, mein Namenstag.

Der Tag beginnt mit den Laudes um viertel nach sieben, dann wird gefrühstückt. Es gibt ein Buffet, dessen Reichhaltigkeit nach Auskunft des Gastpaters auf das Fest zurückzuführen ist.

Nach der Terz (um neun Uhr) packe ich meine Sachen, räume mein Zimmer auf und hinterlasse meine Spende für die Übernachtung, das Kloster hat kein Geld gefordert. Ich werde auch hier wieder aufs Herzlichste von den Mönchen verabschiedet. Vor der Abfahrt feiere ich noch das Hochamt mit.

Dieses ist ein sehr feierliches gregorianische Pontifikalamt, vollendet in der Liturgie, wie ich es noch nie vorher erlebt hatte. Kommunion unter beiderlei Gestalten. Der Organist müht sich zwar ein wenig ab mit der großen c-moll-Passacaglia von J.S.Bach, aber das tut der Feierlichkeit keinen Abbruch, zumal der Gesang der Mönche wieder vom Feinsten ist: Alles wird a-capella gesungen, teilweise mehrstimmig, wie hier schon gewohnt in perfekter Intonation. Die haben musikalisch wirklich was drauf, und ich darf wieder einmal erkennen: Ein Tag bei den Benediktinern ist schon etwas Besonderes!

Der Abschied von diesem Ort fällt mir nicht leicht, aber die folgende Fahrt entwickelt sich zu einem weiteren Höhepunkt: Ein wunderschöner Radweg (oder auch schon mal eine kleine Straße) führt entlang der Loire, meist auf dem Deich, teilweise direkt am Strom, teilweise durch die Felder, wo der Deich zum Beispiel ein Altwasser mit einschließt. Die unverbaute Natur dieser Wasserlandschaft mit den vielen unter Naturschutz stehenden Vogelinseln ist wirklich sehenswert!

Auch das Wetter ist heute ideal: Bayerischer Himmel, angenehme Temperatur. Die Strecke (ab Chateauneuf auf der linken Loireseite) ist ganz flach - natürlich. Es gibt auch kaum Gegenwind. Heute besteht eher die Gefahr, dass ich vor lauter Umherschauen eine Unebenheit der Fahrbahn übersehe und durchdonnere, was mit dem bepackten Rad sicher suboptimal wäre.

Gestern Abend habe ich mal nachgerechnet, was ich grobsinnlich schon seit ein paar Tagen empfunden hatte: Ich bin zu langsam. Genauer: Mit meinen derzeitigen Etappenlängen wird die Zeit bis Santiago knapp, und wenn ich nicht mehr schlechter werde, komme ich vielleicht gerade noch rechtzeitig zum Jakobusfest am 25.Juli am Ziel an. Wenn aber noch wenn irgendetwas dazwischen kommt, eine größere Panne vielleicht, eine Krankheit oder ein paar Tage Schlechtwetter, sieht es böse aus! Ich komme mehr und mehr zu dem Entschluss, eine Abkürzung zu nehmen. Das Studium der Gesamt-Frankreich-Karte bringt mich dazu, noch weiter entlang der Loire bis Tours zu fahren und von dort mit der Bahn in den Süden, vielleicht bis nach Bayonne, zu fahren.

Aus Gründen der knappen Zeit wollte ich Orleans auf der anderen Seite der Loire eigentlich rechts liegen lassen, ich kann ja doch nicht alles Sehenswerte am Weg sehen. Im südlichen Vorort versuche ich nach einer Kaffeepause wieder einmal, die guten 1:200.000er Karten zu bekommen, aber die Buchhändlerin sagt mir, dass ich die nur im Stadtzentrum bekommen könnte. Und so fahre ich doch über die Brücke und besuche zuerst die Kathedrale. Meinen Tagesstempel bekomme ich am Schriftenstand, wo man mir die herzlichsten Wünsche für den weiteren Weg mitgibt.

Und ich bekomme endlich meine ersehnten Karten, ab jetzt wird die Streckenplanung einfacher!

Zurück am Südufer der Loire gerate ich unversehens auf einen leidlich befahrbaren Wanderweg. Ich hatte einen solchen auf der Karte ausgemacht und er erschien mir geeignet, ein Stück Straße zu vermeiden. Der Weg ist recht holprig, mit Sandlöchern und vielen spitzen Steinen und Wurzeln, ich muss oft zentimetergenau fahren, um mir die Reifen nicht zu ruinieren. Aber die Landschaft ist himmlisch, direkt an der Loire geht es durch den Wald, mit einer Vielzahl schöner Ausblicke. Der Weg endet auf einer Landzunge an der Mündung des Loiret. Hier geht es nicht mehr weiter, keine Brücke, keine Furt. Das war wohl doch nicht der Weg, den ich im Kopf hatte, und ein genauerer Blick in die Karte zeigt, dass dieser wirklich erst ein paar Kilometer später begonnen hätte. Also umkehren! Es war trotzdem kein (Zeit-)Verlust, sondern wegen der Schönheit ein Gewinn. (Den Anfang des ursprünglich von mir gemeinten Wegs sollte ich dann später gar nicht finden.)

In Meung/Loire wechsele ich wieder auf die Nordseite der Loire, um auf dem dortigen städtischen Campingplatz mein Zelt aufzuschlagen. Aber der Platz gefällt mir gar nicht, liegt direkt an der Einfallstraße, ist nicht eingezäunt, ohne Parzellierung und von der Brücke hundertprozentig einzusehen. Ich fahre deshalb noch weiter bis Beaugency, wo ich in einem kleinen (sternlosen) Hotel absteige.



Tagesstrecke 83 km