Camino de Santiago

Mein Jakobsweg mit dem Fahrrad



Von Tours nach Richelieu

Peter Thomas

aus Siegburg



14. Tag
Montag 01.07.2002


Nicht wie geplant um 7h30, sondern schon eine Stunde früher klingelt mein Wecker und gibt mir die Nachricht 'Zählerstände notieren'. Hatte ich doch gestern beim Programmieren übersehen, dass da die Monatsersten-Routine ablaufen würde! Nun gut, stehe ich eben auf, frühstücke (was man hier so frühstücken nennt: drei Scheiben getoastetes Altbaguette von gestern, eine plastikversiegelte Marmelade und ein winziges Stück Butter, dazu Milchkaffee) und gehe zu Fuß zum Bahnhof.

Hier erfahre ich, dass es absolut keine Möglichkeit gibt, im TGV nach Bayonne ein Fahrrad mitzunehmen. Alternativen gibt es nicht, ein lückenloses Nahverkehrsnetz wie in Deutschland gibt es in Frankreich auch nicht, zumindest keine Recherchemöglichkeit für längere Reisen in einem solchen Netz. Also zu Autovermietung. Bei zwei großen international agierenden Vermietern frage ich nach: Heute, ohne Vorbestellung, kein Auto vorhanden; für morgen kann ich reservieren, kostet ca. 250,- Euro pro Tag für einen Wagen der unteren Mittelklasse, wenn er nicht am Startort wieder abgegeben wird, zuzüglich Sprit und Autobahngebühren; nein, einen bestimmten Typ kann man mir nicht reservieren, auch nicht garantieren, dass ein Fahrrad rein oder drauf passt.

Zurück im Hotel plane ich die Weiterfahrt nach Poitiers mit dem Rad. Bis Azay le Rideau habe ich keine genaue Karte, aber die fünfundzwanzig Kilometer werden wohl auch so zu finden sein, da es ja an der Loire entlang geht. Für die weitere Strecke habe ich dann wieder die gute 1:200.000-er Karte.

Als ob ich für meine pflichtvergessenen Mogelabsichten bestraft werden sollte, regnet es, als ich losfahren will. Also warte ich noch ein Weilchen, hole Geld aus dem Automaten, trinke noch einen Kaffee und starte effektiv erst um viertel nach elf.

Nach wenigen Kilometern gerate ich unversehens auf eine Kraftfahrstraße. Ich sehe keine Alternative und fahre einfach auf dem breiten Seitenstreifen weiter, es ist ja ganz geringer Verkehr. (Innerlich muss ich lachen, dass ich als sonst immer korrekter Verkehrsteilnehmer so etwas Verbotenes mache!) Dann bin ich wieder auf meinem Fahrrad-Deich, wo ich gegen starken Gegenwind zu kämpfen habe, ich fahre immer nur im dritten Gang und das beschwerlich. Und meine Gesamt-Frankreich-Karte hat mir auch verschwiegen, dass ich besser nicht immer dem Deich hätte folgen sollen, um nach Azay le Rideau zu kommen, sondern besser eine Abkürzung quer über die Landzunge der Cher-Mündung genommen hätte. Aus dieser Fehlinformation resultieren einige Kilometer Umweg. (Aber es tut jetzt auch gut, den Wind mal im Rücken zu haben.)

Nach einer halben Stunde Mittagspause in Azay le Rideau (Picknick mit gebratenen Hühnerschenkeln, Brot und Obst) geht es immer weiter weg von der Loire nach Süden, und pünktlich zu meinem Richtungswechsel drehte auch der Wind, sodass er wieder von vorne kam. Diesmal war der Gegenwind mit einigen Steigungen verbündet, wodurch ich nur noch im ersten Gang fahren konnte.

Kurz vor Richelieu fängt es wieder an zu regnen, nicht stark, aber es reicht um gut nass zu werden. Ich finde schnell ein preiswertes Hotel, das ganz nett aussieht und auch ein paar Empfehlungsplaketten an der Tür hat. Leider ist kein Zimmer mehr frei, es sei Alles reserviert. Es sei aber noch ein anderes Hotel im Ort, ich solle es doch da mal versuchen. (Hatte ich aber schon, war mir zu teuer.)

Dann schaute die Patronne zuerst auf mein betrübtes Gesicht, dann auf ihre Uhr und meinte, es sei ja schon sieben Uhr, und ob die Gruppe, die das Viererzimmer reserviert hat, überhaupt noch komme, sei angesichts der späten Stunde und des schlechten Wetters wohl doch fraglich. Ich könne das Zimmer haben, und - wenn ich ihr verspreche, die anderen Betten nicht zu benutzen - gebe sie es mir sogar zum Einzelzimmerpreis. Abendessen könne ich auch noch haben, Hähnchenschenkel mit Kartoffelgratin. Hocherfreut nehme ich an. Das Zimmer ist wirklich riesig, allein das Bad ist bestimmt viermal so groß wie die winzige Zelle in Tours.

Nach dem Duschen und Umziehen genieße ich das Abendessen. Die Wirtsleute sind wirklich nett. (Eine ältere Frau, die scheinbar aus dem Ort ist und wie ein Sozialfall aussieht und an der Tür nach etwas Brot und Obst fragt, bekommt von der Patronne ein komplettes Abendessen, sogar mit Wein!)

Hoffentlich ist morgen besseres Wette, ich möchte bis zur Benediktinerabtei Liguge südlich von Poitiers fahren, etwa achtzig Kilometer. Um 21h bin ich im Bett.



Tagesstrecke 77 km