Camino de Santiago

Mein Jakobsweg mit dem Fahrrad



Von Liguge nach Civray

Peter Thomas

aus Siegburg



16. Tag
Sonntag 03.07.2002


Um sechs Uhr klingelt der Wecker, nach dem Frühstück Laudes. Leider hat sich das schöne Wetter von gestern Abend wieder verzogen, aber es ist noch trocken. Nach dem Packen, so etwa um neun Uhr, nieselt es jedoch. Ich starte trotzdem. Bereits nach einem halben Kilometer geht ein massiver Schauer nieder, ich kann mich gerade noch unter einen Unterstand am Ortsausgang flüchten.

Der Schauer entwickelt sich zu einem ausgedehnten Regen mit Sturm, sodass das Wasser fast waagerecht daherkommt.

Pause.

Zeit zum Denken.

Warten.

Frieren.

Nach einer guten Stunde hört der Regen immer noch nicht auf, ich interpretiere das als Einladung, doch noch das Hochamt im Kloster um halb zwölf zu besuchen, um meinen zweiten Namenstag (Thomas) zu feiern. Gegen elf läßt dann auch die Heftigkeit des Regens etwas nach, und ich fahre nach Liguge zurück.

Das Hochamt ist feierlich, ein gregorianisches Amt, mit sehr viel Zeit und Ruhe. Der Choral wird hier ganz anders gesungen als in Saint Benoit, viel langsamer und rhythmischer, mehr orientiert an den semiologischen Erkenntnissen der letzten Jahre. Auch hier kommuniziert die ganze Gemeinde wieder unter beiderlei Gestalten. (Ist das bei den Benediktinern in Frankreich immer so oder nur an Festen?)

Nach der Messe ist das Wetter immer noch nicht wesentlich besser, ich gehe also erst einmal zum Essen in das (einzige) Restaurant. Es gibt auch nur ein Tagesmenü, vier Gänge inklusive Wein nach Belieben zu knapp zehn Euro.

Gegen halb zwei nieselt es immer noch ein wenig, ich packe mich in den Anorak und starte. Der leichte Nieselregen verstärkt sich von Zeit zu Zeit zu einem kräftigen Schauer, aber da ich entlang der Bahnlinie fahre, finde ich immer wieder einen Unterstand in Form einer Unterführung. Aber der Wind, stärker denn je! Ich komme wegen der Schauerpausen immer nur in Etappen von fünf oder sechs Kilometern voran, und das trotz ebener Strecke nur im ersten oder zweiten Gang. Weit komme ich heute bestimmt nicht, ich spiele sogar mit dem Gedanken nach Liguge zurück zu fahren.

Ultreia, weiter, immer weiter! Immer wieder sage ich mir den jahrhundertealten Aufmunterungsruf. Ultreia!

Ich kämpfe mich voran, langsam und anstrengend über Vivonne und Couhe bis nach Civray. Hier ist der Tag für mich zu Ende, es ist bereits nach sechs und die zwanzig Kilometer bis Ruffac schaffe ich frühestens bis acht Uhr, wenn überhaupt. Es gibt im Ort einen Campingplatz (aber für schlechtes Wetter ist mein Zelt wirklich ungeeignet, weil zu klein, ich kann mich darin ja nicht einmal aufsetzen) und ein kleines, sauberes, sternloses Hotel 'Au Cheval Blanc'. Hier steige ich ab, genieße die Dusche (zum ersten Mal auf dieser Reise warm) und das preiswerte leckere Abendessen.

Nach dem Essen klart es ein wenig auf, ich mache einen kleinen Spaziergang durch den Ort. Der Wetterbericht im Fernsehen ist positiv und auch das Barometer steigt. Hoffnung für morgen!



Tagesstrecke 54 km