Camino de Santiago

Mein Jakobsweg mit dem Fahrrad



Von Bassac nach Libourne

Peter Thomas

aus Siegburg



18. Tag
Freitag 05.07.2002


Der Tag fängt gut an: Schönes Wetter, gutes Frühstück, nette Menschen. Und als ich für Bett und Essen bezahlen will, wies man mein Angebot vehement zurück: Nein, Pilger zahlen nichts.

Ich breche gegen acht Uhr auf. Es ist kalt, und die Sonne kommt nicht durch die immer dichter werdenden Cirrostratuswolken. Aber die Fahrt läuft gut. Im Westen tauchen die ersten Cumulonimbuswolken auf, was kein gutes Zeichen ist. Da der Wind aber aus Südwest kommt und ich nach Süden fahre (da sieht der Himmel besser aus), mache ich mir vorerst keine Sorgen um das Wetter.

Es zieht immer mehr zu. Ich fahre auf einer kleinen Straße von Chateauneuf-Charente über Vignolles, Saint Bonnet, Challignac und Chillac nach dem kleinen Weiler 'Chez Thomas', wo ich pünktlich zu Mittag der erste Regenschauer erwischt. Ich schlüpfe an einer gemütlichen Bushaltestellenhütte unter und mache erst einmal Pause.

Nach einer Stunde geht es weiter, es regnet dann und wann, ich fahre mit Anorak. Wer hat eigentlich behauptet, dass man in so einer HighTech-Jacke mit Membranfutter nicht schwitzt? Ich bin nach zwei Stunden von innen und außen nass, versuche mich bei Anschwellen des Regens irgendwo unterzustellen und ansonsten trotz Regens zu fahren. Das geht sogar erstaunlich gut, wenn man die allgegenwärtige Nässe erst einmal als Gegebenheit akzeptiert hat. Zum Glück gibt es kaum Wind, sodass ich keine Sichtprobleme wegen nasser Brille habe.

Gegen sechzehn Uhr erreiche ich Coutras, wo es einen Campingplatz gibt, der mir aber zu nass ist. Ich beschließe trotzdem für heute hier abzubrechen. Das einzige Hotel im Ort ist mir jedoch zu teuer. In einer (warmen) Bar stärke ich mich mit zwei großen Tassen Kaffee und Cola, während die Kleidung ein wenig trocknen kann. Ein Blick in die Karte zeigt mir, dass das Hotel 'Routier', dessen Werbetafel ich vorhin gesehen hatte, nur drei Kilometer entfernt im nächsten Ort liegt. Ich fahre hin, aber leider ist das Hotel heute wegen Ruhetag geschlossen. Pech!

Es hilft nichts, ich muss weiterfahren. Ich bin jetzt in einer der edelsten Weingegenden, im Cognac-Gebiet. Das ist wohl auch der Grund dafür, dass im nächsten Ort Saint Emilion die Einzelzimmerpreise bei mehr als hundert Euro beginnen. Ich habe gar nicht gefragt, ob was frei ist, so schlecht geht es mir noch nicht, dass ich soviel bezahlen würde! Ich beschließe, doch nach Libourne hinein zu fahren, was ich eigentlich vermeiden wollte. Ich frage unterwegs noch bei ein paar Pensionen und Gites nach einer Unterkunft, aber es ist nirgends wo etwas frei. Ob das tatsächlich immer so stimmt, oder ob das ein typisches Freitagnachmittag-Einzelnacht-Einzelreisenden-Problem ist ('vielleicht kommt ja noch eine ganze Familie für das ganze Wochenende'), vermag ich nicht zu beurteilen.

Bei meiner Ankunft in Libourne ist das office de tourisme natürlich schon geschlossen, und einen aushängenden Hotelplan finde ich trotz eifrigen Suchens nicht. Also rastere ich die Straßen der Innenstadt systematisch ab und finde auch ein paar Hotels, die aber alle complet sind. Auch im Bahnhofsviertel vier voll belegte Hotels. Es regnet ununterbrochen, wenigstens ist mir nicht kalt. So langsam versuche ich mich mit dem Gedanken anzufreunden, die Nacht in irgendeinem Schuppen oder an einer Bushaltestelle zu verbringen. Soll ich einfach weiterfahren und irgendwo an der Strecke unterschlüpfen? Aber es wird dunkel, und da ist eine Suche nach einem solchen wilden Quartier auch nicht mehr ganz einfach.

Es ist bereits neun Uhr, als ich noch ein Hotel sehe, eins der Kette 'Routiers', ob die vielleicht noch was haben? Die Chefin, die bereits dem Alkohol kräftig zugesprochen hatte, kann sich jedoch nicht entscheiden, bringt mein Anliegen irgendwie überhaupt nicht mehr auf die Reihe, verwechselt Zimmernummern, Daten und Preise. Wenn da nicht ihre Freundin wäre, die etwas weniger 'offline' ist, müsste ich wohl wieder raus in den Regen, aber dank des Eingreifens dieses Engels habe ich jetzt ein Zimmer. Das Zimmer ist riesig, mit zwei großen französischen Betten, einem großen Bad (aber ohne WC), alles ist ein wenig heruntergekommen und schmuddelig, ich kann nicht einmal sicher sagen, ob das Bett frisch bezogen ist oder ob da schon mal einer drin geschlafen hat (wie man das aus den Routiers halt kennt), die Matratze ist uralt und durchgelegen, die Hauptlampe funktioniert nicht und die Stühle wackeln. Aber mir ist es schon recht, ich bin nur froh einen trockenen Platz zum Schlafen zu haben. Und ich bezahle nur ein Einzelzimmer.

In einer benachbarten Bar gibt es noch Abendessen. Das Tagesmenü ist preiswert, lecker und so reichlich, dass ich nicht alles essen kann. Total erschossen sinke ich um halb elf ins Bett.



Tagesstrecke 130 km