Camino de Santiago

Mein Jakobsweg mit dem Fahrrad



Von Calzadilla de la Cuerzo nach León

Peter Thomas

aus Siegburg



29. Tag
Dienstag 16.07.2002


Gut geschlafen, in der Tat war kurz nach 22h Ruhe und raschelnde Frühaufsteher gibt es auch nicht.

Nach dem Frühstück in der Bar, die bereits ab sieben Uhr geöffnet hat (!) und wo es neben Kaffee auch schon ein Bocadillo mit Käse gibt (naja, das Brot war von gestern und entsprechend trocken, aber so ist es mir allemal lieber als mit diesem süßen Klebzeugs), geht es bei makellos blauem Himmel um acht Uhr los. Der Wind steht immer noch richtig, er kommt von Osten, ist also in meinem Rücken.

Der Pilgerweg läuft hier entlang der N120, die hier der beste Radweg Europas ist, da die Nationalstraße in dieser Gegend durch die parallel verlaufende und neu eröffnete Autobahn Burgos-Leon für den KFZ-Verkehr praktisch bedeutungslos geworden ist.

Kein Auto weit und breit, glatte Straße, Sonne (aber nicht zu heiß), Rückenwind: so macht Radfahren richtig Spaß!

Hinter Sahagun schwenkt die N120 ziemlich nach Süden weg und ich folge dem Pilgerweg, der neben einer Piste (teils Schotter, teils asphaltiert) verläuft. Ich fahre manchmal auf diesem, manchmal auf jener, je nachdem, wo gerade die kleineren Steine und weniger Schlaglöcher sind. Ich komme schnell voran auf diesem Weg, der eigentlich auch als Straße bezeichnet werden könnte, und der auf der Karte nicht verzeichnet ist.

Im Nu bin ich in Mansilla de las Mulas, ca. 18 km vor León, die Piste war sogar runde zehn Kilometer kürzer als die Nationalstraße. Auf dem Markt kaufe ich Obst und warte in einer Bar, bis der dazugehörige Comedor zum Mittagessen öffnet: Pilgermenu, wieder gut und preiswert.

Die Weiterfahrt nach León ist etwas anstrengender, da es mittlerweile ziemlich heiß ist, aber es ist ja nicht mehr weit. Einmal überhuscht mich ein riesiger Schatten, der von einem großen Vogel kommt, den ich aber selbst nicht sehe. Was mag das gewesen sein, gibt es hier Geier oder Adler? (Für einen der gewöhnlichen Greifvogel (Habicht, Bussard) war der Schatten zu groß.)

In León besuche ich zuerst die eindrucksvolle Kathedrale und begebe mich dann zur Herberge im Kloster der Benediktinerinnen. Sie liegt in einer kleinen Nebenstraße, und ich hätte sie wohl nicht oder zumindest erst viel später gefunden, wenn mich suchend-in-den-Stadtplan-Blickenden nicht ein Passant angesprochen und dann persönlich bis vor die Haustür geführt hätte.

Die Unterkunft ist einfach, zahllose Matratzen in Reih und Glied auf dem Boden einer Turnhalle, aber es gibt genügend Duschen und morgen wohl auch ein Frühstück. Es wird eine Spende von etwa 2€ erwartet, so wie das hier in den Herbergen üblich ist, aber regelrecht verlangt wird eine Bezahlung nicht.

Diese Herberge ist ein richtig eindrucksvolles Dienstleistungszentrum für Pilger: Es gibt ausführliche Informationen (inklusive Höhenprofilen für den restlichen Camino), laufend frisches Obst und Getränke und sogar ärztliche Versorgung der Fußkranken durch Freiwillige.

Auf den vier Türmen an den Ecken des Innenhofs sind Storchennester, alle bewohnt. (Damit ist die Frage nach dem Riesenvogel vom Nachmittag wohl geklärt.) Noch nie habe ich bisher mehr als einen Storch gesehen, und das Klapperkonzert bei Sonnenuntergang ist schon eine tolle Sache!

Um neunzehn Uhr ist Pilgermesse, und die Oberin macht allen im Innenhof anwesenden Pilgern unmissverständlich klar, dass die Teilnahme daran erwartet werde, und dass sich niemand drücken solle. Im lateinischen Amt (Introitus 'Gaudeamus') singen die Nonnen, schön aber s-e-h-r l-a-n-g-s-a-m.

In der Stadt gibt es wieder ein Pilgermenu, abends ist noch Komplet mit Pilgersegen und um viertel vor zehn wird das Tor der Herberge verschlossen. Wecken wird um sechs Uhr sein, das gibt Anlass zu der Hoffnung, dass auch hier das Problem der Frühaufsteher nicht vorhanden sein wird.

Ich fühle mich hier sehr wohl. Es ist schön, wieder einmal bei den Benediktinern zu sein!



Tagesstrecke 80 km