Camino de Santiago

Mein Jakobsweg mit dem Fahrrad



Von Melide nach Monte do Gozo

Peter Thomas

aus Siegburg



34. Tag
Sonntag 21.07.2002


Heute Abend stelle ich fest: Das Ziel ist (fast) erreicht, ich bin am Monte do Gozo.

Aber der Reihe nach! Nach einer schwül-heißen Nacht (irgendwer hatte das Fenster geschlossen) stehe ich erst um halb acht auf. Das Ausschlafen wurde von keinem Frühaufsteher gestört, die Jugendlichen, die mit mir im Achterzimmer waren, hatten gestern wohl noch lange genug gefeiert, um heute morgen noch richtig schön müde zu sein.

Es gibt kein Frühstück, nur eine Limo aus dem Automaten, erst in Arzuá bekomme ich Toast und Kaffee. Hier fängt so langsam der richtige touristische Rummel an. Horden von gutriechenden und wohlgekleideten 'Wanderern' (und eine Menge erstaunlich frisch aussehender Radler) bevölkern den Camino, die meisten sind wohl Wochenendpilger, die gerade mal die für die Zuteilung der Gran Compostela erforderlichen 100 km (zu Fuß) oder 200 km (per Rad) zurücklegen wollen.

Es ist wieder richtig heiß heute, aber zum Glück sind hier in den letzten Jahren - wie die Reiseführer berichten - eine Vielzahl neuer Brunnen gebaut worden (Cola-Automaten?), sodass die Gefahr übermäßigen Durstes nicht besteht. Die Anstiege der Nationalstraße sind bis auf wenige und kurze Ausnahmen gut fahrbar.

Ich staune, wie schlapp ich auf dieser letzten Etappe bin. Suggeriert das nahe Ziel 'du hast Zeit, lass es langsam laufen'? Oder machen sich jetzt die Anstrengungen der letzten Wochen doch langsam bemerkbar?

Zehn Kilometer vor Santiago wird die Nationalstraße zur Autobahn und Radfahrer werden ausdrücklich auf den Fußweg geleitet. Und das letzte Stück vor dem Monte do Gozo ist nochmal so richtig hart: Steigungen in einem Winkel, den ich bisher noch nicht hatte und an denen es mir schwer fällt, beim Schieben die 3 auf dem Tacho zu halten. Und dann stürze ich noch fast in einer mit feinem Sand gefüllten Kuhle.

Um dreizehn Uhr, gerade als die Pilgerrezeption öffnet, erreiche ich die Unterkunft am Monte do Gozo. Die 'Herberge' ist hier ein riesiger, unpersönlicher, hässlicher Komplex mit hunderten von Betten in großen Bungalows, mit Läden, Waschsalon, Massagesalon, Restaurants, Bars, Hotels, bevölkert von Bus- und PKW-Touristen und 'ein paar' (vielleicht 150) Pilgern. Die flächendeckend betonierte Anlage ist noch ziemlich neu, die wenigen Bäume allesamt noch viel zu klein, um Schatten spenden zu können, und so kann man sich eigentlich nur in einer der Bars aufhalten, um der Sonne zu entgehen.

Ich nutze den Nachmittag unter anderem zum Wäschewaschen, ich will doch mit nicht allzu schmutzigen Klamotten in Santiago ankommen. (Der Shop neben dem Waschsalon, wo man das Waschpulver portionsweise kaufen sollte, ist zwar geschlossen, aber die Maschine funktioniert auch mit Duschgel.)

Die Menschenmassen verlaufen sich auf diesem riesigen Terrain einigermaßen, ich habe eigentlich nicht den Eindruck von Überfüllung. Aber wahrscheinlich kommt die große Welle der 'echten' Pilger erst Anfang der Woche hier an, und die Masse der heute gesichteten 'Sonntagspilger' wird wohl gleich bis Santiago durchgehen und von dort sofort wieder nach Hause fahren.

Wie ich (mit meinem Fahrrad) nach Hause komme, weiß ich immer noch nicht, hoffentlich kann ich das morgen klären. Allerdings habe ich per eMail Nachricht von einem Radpilger, der noch am 23.Juni sein Rad mit der Busgesellschaft Alsa nach Frankfurt befördern konnte, also zu einem Zeitpunkt, als das offiziell schon gar nicht mehr möglich war. Und ich habe auch die Telefonnummern von zwei Speditionen, die Räder nach Deutschland transportieren, auch wenn das erheblich teurer ist als der Beipack im Alsa-Reisebus.

Zum Abendessen versuche ich ein Restaurant zu besuchen, werde aber als Einzelperson nicht eingelassen, offenbar ist man nur auf Gruppen eingestellt. So lasse ich mich in einem Self-Service abspeisen, zu einem unverhältnismäßig hohen Preis mit einer äußerst mittelmäßigen Qualität der Speisen, sogar Wasser und Brotscheibe wurde extra berechnet!



Tagesstrecke 52 km